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Interview: Jens Teutrine, MdB

Jens Teutrine, MdB (FDP), Sprecher für Bürgergeld und Pflegepolitik, Vorsitzender der Jungen Gruppe der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag, Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales und im Gesundheitsausschuss

DEGEMED: Seit sechs Monaten sind Sie Mitglied im Gesundheitsausschuss. Wo lag Ihr fachlicher Schwerpunkt bis dahin und was hat Sie motiviert, pflegepolitischer Sprecher zu werden?

Seit Beginn der Legislaturperiode im Jahr 2021 bin ich Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Hier beschäftige ich mich mit unseren sozialen Sicherungssystemen – vom Bürgergeld bis zur Rente. Sie alle sind von einer sich wandelnden Arbeitswelt betroffen. Fachkräftemangel und demografischer Wandel sind die größten Wohlstands- und Wohlfahrtsgefährder. Hier gilt es, die Teilhabe aller Generationen und aller Menschen sicherzustellen und die Arbeitsmarktintegration nachhaltig aufzustellen. Das gelingt allerdings nur, wenn man das Denken in Silos überwindet und über die einzelnen Systeme hinausdenkt. Derzeit bremsen die Schnittstellen zwischen den einzelnen Systemen und Institutionen innerhalb des Sozialstaats wertvolle Potentiale aus. Dass viele Politiker und Abteilungen von Ministerien das noch nicht erkannt haben, halte ich für einen Fehler. Deshalb habe ich einen Fokus meiner politischen Arbeit früh auf das Zusammenwirken der verschiedenen sozialen Sicherungssysteme und deren Schnittstellen gerichtet. Ich freue mich darauf, meinen bisherigen Bereich Arbeit und Soziales mit den neuen Themen Pflege und Reha zu verknüpfen.

DEGEMED: Können Sie Beispiele nennen, was diese Fokussierung auf Schnittstellen praktisch für Ihre Arbeit und Absichten bedeutet?

Etwa bei Reformen der Grundsicherung geht es mir weniger darum, wie man Bedürftigkeit verwaltet. Mein zentrales Anliegen war und bleibt es, Menschen aus der Bedürftigkeit herauszuholen und sie mittels stärkerer Arbeitsanreize und Weiterbildung nachhaltig in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Das ist nicht nur volkswirtschaftlich geboten und vorteilhaft für die Staatskasse, sondern stärkt auch die Mündigkeit und Selbstbestimmung der Einzelnen. Darum habe ich mich auch früh mit der Qualität von Sprachkursen und beruflichen Weiterbildungen beschäftigt, was über den Tellerrand der Grundsicherung hinausgeht. Aktuell begleite ich das Gesetzesverfahren rund um die Kindergrundsicherung, bei dem es, aus meiner Sicht, darum geht, bürokratische Schnittstellen zwischen Bürgergeld, Wohngeld sowie Kinderzuschlag abzubauen und gleichzeitig Leistungen für Bildung und Teilhabe zugänglich zu machen. Dieselben Schwerpunkte möchte ich nun auch mit meiner Arbeit im Ausschuss für Gesundheit, in dem ich für die gesamte Pflegepolitik und Rehabilitation zuständig bin, verfolgen: Wir müssen die Leute in Arbeit bringen und halten.

DEGEMED: Kommt der Reha die notwendige Bedeutung zu und was möchten Sie dafür tun?

Reha ist essenziell – um die Selbstbestimmung des Einzelnen in den verschiedenen Lebenslagen zu stärken und um eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung sicherzustellen. Trotzdem wird sie in der Silo-Logik der Politik zu wenig als zentrales Element in anderen sozialen Sicherungssystemen angesehen. Und das, obwohl sie besagte Synergien – wie eine bessere Arbeitsmarktintegration oder eine Vermeidung von Pflegebedürftigkeit – schaffen und die Selbstbestimmung der Menschen stärken könnte. Indem sie ihnen hilft, schnell in Alltag und Beruf zurückzufinden, garantiert die Reha gesundes Arbeiten und erhält Erwerbspotenzial. Das zeigt, von einer erfolgreichen Reha profitieren nicht nur die Patienten und ihre Familien, sondern auch Arbeitsmarkt, Wirtschaft und Solidargemeinschaft. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist Rehabilitation also auch ein Zukunftsthema. Wir werden nicht darum herumkommen, länger zu arbeiten. Umso bedeutsamer wird sie in den kommenden Jahren und Jahrzehnten. Längeres, gesünderes Arbeiten muss Teil unserer Alterssicherungspolitik sein. Diese Denkweise möchte ich in meiner Fraktion und der Koalition stärker verankern.

DEGEMED: Laut Koalitionsvertrag sollen Reha-Einrichtungen zukünftig auch Pflegefachkräfte ausbilden können. Wie stehen Sie dazu?

Für mich ist es nicht nachvollziehbar, dass Einrichtungen der Eingliederungshilfe und der Rehabilitation von der Pflegekräfteausbildung ausgeschlossen sind. Das zementiert das vorher erwähnte Silodenken. Deswegen haben wir diesen Punkt im Koalitionsvertrag verankert. Den Einwand, dass unter diesen Umständen in noch mehr Ausbildungsbetrieben, sprich Krankenhäusern, Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten, immer weitere Ausbildungsstellen unbesetzt blieben, teile ich explizit nicht. Mit der Verankerung der Rehabilitation können wir, meiner Meinung nach, mehr Menschen für eine Ausbildung begeistern und die Versorgung in Reha-Einrichtungen sicherstellen. Wir müssen den Wettbewerb um diese begehrten Arbeitskräfte dringend entspannen, auch indem wir junge Menschen, Neueinsteiger und Fachkräfte aus dem Ausland dazugewinnen. All das sollte Teil des übergeordneten Vorhabens sein, Gesundheitsfachberufe attraktiv und zukunftsfähig auszurichten, gerade auch, weil es aufgrund des demographischen Wandels einen immensen Bedarfszuwachs geben wird. Mein Ziel ist es, dass die Vereinbarung des Koalitionsvertrags dieses Jahr, beispielsweise im Pflegekompetenzgesetz, umgesetzt wird. Ich würde mich freuen, wenn die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation dies weiter lautstark mitvorantreibt.

DEGEMED: Was sind Ihre Ziele für die bestehende Legislaturperiode und darüber hinaus?

Bisher muss Reha, anders als andere Leistungen, sehr umständlich beantragt werden. Entscheidungsprozesse dauern zu lange und sind zu kompliziert. Dieser Zugang muss dringend erleichtert werden. Ich setze mich für die Abschaffung unnötiger Bürokratie ein, damit Reha-Maßnahmen schnell zum Einsatz kommen und ihre Wirkung entfalten können. Vor diesem Hintergrund bedauere ich, dass der Gesundheitsminister sich nicht beim großen Entbürokratisierungsgesetz beteiligt hat. Er wolle ein eigenes Gesetz zur Entbürokratisierung im Gesundheitsbereich auf den Weg bringen. Das muss nun aber auch kommen und es sollte die Reha mitberücksichtigen sowie Erfahrungen aus der Praxis frühzeitig beteiligen. Ich bin überzeugt, vor Pflege und Rente müssen die Möglichkeiten der Rehabilitation voll ausgeschöpft werden.

Die Fragen stellte Vera Knieps.


Website Jens Teutrine MdB
https://www.jensteutrine.de/


Website FDP Bundestagsfraktion
https://www.bundestag.de/parlament/fraktionen-gruppen/fdp

Foto: Raphael Wedemeyer

Kontakt:

Vera Knieps
Referentin Politik

Tel.: 030 / 28 44 96-80
Fax: 030 / 28 44 96-70

v.knieps@degemed.de

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